Jahresbericht 2019

Mit Windeseile entflieht die Zeit. Zögernd kommt die Zukunft herangezogen, pfeilschnell ist das Jetzt entflohen, ewig steht die Vergangenheit! Wiederum stehen wir am Ende eines Vereinsjahres und wir wollen deshalb am heutigen Tage einen Rückblick werfen auf die Vergangenheit, auf unser verflossenes Jahr und auf die, wie jeder kluge Geschäftsmann es tut, die Jahresbilanz ziehen. Wir dürfen getrost das Endresultat unserer Vereinsbilanz entgegen nehmen, haben wir doch ein arbeitsreiches Jahr hinter uns und wenn jedes von uns seine Arbeit im Vereine im richtigen Geist eines Kirchensängers getan hat, so hat es sich Verdienste erworben, die im Buche des Lebens gutgeschrieben sind.

Im abgelaufenen Jahre wurden im Ganzen 85 Proben abgehalten, und wenn man in Betracht zieht, dass jede Probe eineinhalb bis zwei Stunden dauerte, so entspricht das einem Zeitaufwand von ca. 140 Stunden.

Seid ihr erschrocken? Dachtet ihr, mit mir stimme jetzt definitiv etwas nicht mehr? Nein, ich kann euch beruhigen! Ich habe nur kürzlich das erste Protokollbuch unseres Vereins in die Hand genommen, um zu überprüfen, ob eigentlich der Satz stimmt: "Früher war alles besser!" - Hm, da kam ich ganz schön ins Grübeln, denn so eine vornehme, poetische Einleitung, wie die eben verlesene aus dem Jahr 1915, habe ich in all den vielen Jahren noch nie hinbekommen.

Stimmt es also, dass früher alles besser war? Doch dann habe ich weiter gelesen und vernommen, wie es an der Generalversammlung damals weiter gegangen ist. Da heisst es:

Hochw. Herr Präses gab nun Erklärungen ab über die verschiedenen Streitigkeiten im Verein im verflossenen Jahre und ersucht die Mitglieder sich ruhig zu verhalten bei den Verhandlungen. Ferner erklärte er, dass er das Präsidium vorübergehend selber in die Hand nehmen werde, bis wieder ruhigere Zeiten seien. Herr Vizepräsident gab dann Hochw. Herrn Präses Aufschluss, dass er, seit er in Grellingen sei, von der Versammlung bereits zum Präsidenten gewählt worden sei und es liege da ein Irrtum vor.

Hm, mir kamen zum 1. Mal leichte Zweifel über das mit früher…

Aber nun komme ich definitiv in die Gegenwart zu unserem Vereinsjahr. Wir begannen es am 12. Januar mit Singen im Gottesdienst und hielten anschliessend unsere Generalversammlung ab.

Ende Januar durften wir bereits gemeinsam feiern: Esther Imark hat uns am 27. Januar anlässlich ihres 60. Geburtstages zu einem tollen Fest in Laufen eingeladen. Wir wurden königlich bedient und fürstlich verwöhnt. Ich möchte dir, liebe Esther stellvertretend für alle nochmals sehr herzlich danke sagen für das fröhliche, tolle Fest.

Fröhlichkeit, ja, das las ich oft im alten Buch. Es ist genau 100 Jahre her, da stand:

Dann ging man zum gemütlichen Teil über. Hochw. Herr Präses hatte uns mit einem feinen Abendessen bewirtet und der feine Tropfen aus dem Keller fehlte natürlich nicht, sodass jedenfalls das Fass im Keller eine Erinnerung an uns hat. Durch Gesang und heitere Witze waren die fröhlichen Stunden nur zu bald vorbei. Zum Schlusse wurde uns noch einige Flaschen Verzapften serviert, sodass unsere verehrten Sängerinnen bald in eine angeheiterte Stimmung kamen.

Unser Vereinsjahr 2019 nahm seinen gewohnten Lauf, ausser dass wir vor Ostern ein paar Mal schweren Herzens auf unsere Stephanie verzichten mussten. Für Ersatz war aber gesorgt, und so blieben uns sicher die Proben mit Herrn Jarberg und vor allem mit Herrn Polus in Erinnerung, hatten wir da doch einiges zum Lachen! Zum Beispiel, als er meinte, ihm kämen über unseren SCHEUEN Bass die Tränen, oder unser Sopran hätte noch eine Ladehemmung.

Aber die Aufführungen an Palmsonntag mit Gabriel, Karfreitag und die Kempter-Messe in der Osternacht mit Herrn Jarberg gelangen dann ganz gut.

Am 25. April brachten wir den Bewohnern des Altersheimes in Laufen ein Ständeli, was bei einigen Betagten ein Leuchten ins Gesicht zauberte. Dies ist dann unser Geschenk.

Apropos Geschenk:

Hochw. Herr Präses bemerkte noch, dass man an Herrn A. Vögtlin im Oberdorf seine geleisteten Dienste im Vereine mit einem Geschenk anerkennen sollte, wovon aber vorläufig abgesehen werden muss infolge ganz magerer Kasse.

Zum Thema Kasse findet sich 1913 folgender Bericht:

Die Sache verhält sich nun folgendermassen, Herr Kassier Häfeli wurde verschiedene Male aufgefordert einen Kassenbericht zu erstatten, was aber nie geschah. Wenn irgend ein Mitglied fragte, was haben wir in der Kasse, hiess es immer: nichts, nichts. Zuletzt waren es dann aber dreissig Franken. Als nun der Herr Kassier wieder einmal erschien ohne Kassenbericht, machte sich die Missstimmung deutlich bemerkbar. Herr J. Vögtli wünscht nun einen vollständigen Kassenbericht seit Dezember 1911, was in der Folge zu einem längeren Disputat führte, indem sich die verschiedenen Stimmen gegenseitig nicht viel Liebenswürdiges zu sagen hatten, dessen Wiedergabe wir hier aber lieber unterlassen wollen. Zweitens verlangt Herr Vögtli die Wahl eines Präsidenten. Da man es nach seiner Meinung nach auch einmal mit einem Fräulein probieren könnte, so schlägt er als Präsidentin vor, Fräulein Julie Meury, die aber eine allfällige Wahl rundum ablehnt. Herr Direktor A. Vögtli stellt nun den Antrag, die Präsidentenwahl noch einmal zu verschlafen. Es sollte sich jedes die Sache noch einmal überlegen.

Und wenn ich schon bei der Kasse bin: 1934 fand ich eine seltsam aktuelle Meldung im Protokoll:

Herr Vize-Präsident K. Kaiser teilt den Herren vom Kirchenrat mit, dass wir schon lange ungenügende Vesperbüchlein haben. Herrn Ed. Bloch, Kirchenpräsident, verdankt die Einladung und nimmt Kenntnis von den Büchlein. Er gibt jedoch bekannt, dass die Kirchenkasse zurzeit nur Schulden habe, aber Er wolle dies dem Kirchenrat vorbringen und das Nötigste tun.

An Pfingsten durften wir wieder unter der Leitung von Stephanie eine Messe aufführen und danach ging die erste Hälfte im Jahresprogramm wie gewohnt mit unserem Bündelibummel am 28. Juni zu Ende. Wir trafen uns dazu in Arlesheim und spazierten gemütlich in brütender Hitze zum Schloss Dornach hinauf, wo uns im Garten des Restaurants Schlosshof ein sehr gutes Nachtessen erwartete. Wir verbrachten einen gemütlichen Abend.

1920: Hochwürdiger Herr Präses teilte uns den Reiseplan mit. Er hatte im Hotel Kreuz in Seelisberg angefragt über die Kosten für Essen und Schlafen für 30 Personen. Das Mittagessen käme auf 2.50 Fr bestehend aus Suppe, Kartoffelstock, Kalbsbraten mit Böhnli und Rüebli, Salat und Dessert. Zu 3 Fr. käme noch ein Pastetli als Voressen dazu. Der Bericht wurde im Detail verlesen und es wurde beschlossen, die ganze Kost im Hotel Kreuz zu nehmen, da es am Billigsten käme. Ferner wurde noch beschlossen, am Samstagmorgen mit dem ersten Zug abzureisen und am Sonntagabend mit dem letzten Zug heimzukommen. Inzwischen wurden aber unsere Kehlen bei unseren Verhandlungen ziemlich ausgetrocknet und so gingen wir gerne ins Restaurant Spaar, wo schon ein Fass Bier auf uns wartete, um unseren Durst zu stillen. Auch für den Hunger war gesorgt worden, indem uns Herr Spaar mit Wienerli und Sauerkraut bewirtete, dass man einen Knopf auftun musste, dass nicht eine Explosion entstanden ist.

Mit unserem etwas bescheidenerem Ausflug ging es in die Sommerpause.

Noch in der letzten Ferienwoche nahm ein Teil des Chores an Proben zusammen mit den Kirchenchören Dittingen und Blauen teil. Wir sangen gemeinsam im Festgottesdienst am 18. August in Zwingen, wo das 50-jährige Bestehen der Kirche gefeiert wurde. Es war eine sehr eindrückliche Feier, geleitet von Bischof Felix Gmür. Nach dem Gottesdienst waren alle zu einem Mittagessen eingeladen.

In unseren eigenen Proben begannen wir nach der Sommerpause bereits mit der Einstudierung der "Missa Pastorale in D" von Jan Antonin Kozeluch. Wir hatten uns dieses tolle Werk für die Mitternachtsmesse vorgenommen.

Trotzdem galt es, unser Mitwirken in Gottesdiensten im Jahreslauf aufrecht zu erhalten. So sangen wir zum Beispiel am Bettag die "Missa Pro Patria" von Johann Baptist Hilber.

Alles zusammen war eine Herausforderung, ein regelmässiger Probenbesuch war deshalb hilfreich, damit wir die Nerven von Stephanie nicht allzu sehr beanspruchten.

Hochw. Herr Präses ersuchte die Mitglieder in den Proben etwas mehr ruhiger zu sein sowie in der Kirche auch. Ferner teilt Herr Vizepräsident mit, dass im letzten Jahre die Proben schlecht besucht wurden von einigen Mitgliedern, da es gab, dass einige 40 und eines sogar 50 Mal gefehlt hatte. Das ist doch gewiss eine Rekordzahl und sei ein schlechtes Zeugnis für einen Kirchensänger.

Nun hatte Fräulein Kassierin ein Register gemacht für alle Fehlenden in den Proben, und nun fragte es sich, ob man Bussen einführen sollte für die unentschuldigt Fehlenden. Herr Ed. Bloch stellte den Antrag, dass man keine Bussen einführen sollte, aber das Probenregister gleichwohl weiterführen solle, in dem Sinne, dass es eine Ehrenpflicht ist, an den Proben vollzählig zu erscheinen, was einstimmig angenommen wurde.

Ja, 1924 herrschte noch Zucht und Ordnung. Aber ob das besser war? Ich stelle es erneut in Frage.

Wie schon erwähnt hatte Stephanie keine leichte Aufgabe, uns die Töne der neue Messe zu lehren. Aber sie tat es mit einer Engelsgeduld und grossem Können, wofür ich ihr an dieser Stelle herzlich danken möchte.

Dass dies nicht selbstverständlich ist, wissen wir, oder wir können es auch 1931 nachlesen:

Ferner teilte uns Herr Dirigent Saladin mit, dass er keine Proben mehr abhalten werde, wenn im Verein nicht mehr Disziplin und Autorität vorhanden sei. Hochw. Herr Präses sagte, es sollte an den Herrn Dirigenten Saladin viel mehr Autorität gewahrt werden. Denn unser wohlverdienter Dirigent, der bei keiner Andacht auf der Orgel fehlt, verdient es absolut, dass man ihm volles Vertrauen schenkt. Nach längerer Diskussion war Herr Dirigent jedoch bereit, die Proben wieder wie gewohnt abzuhalten.  Bei dieser Gelegenheit teilte uns Hochw. Herr Präses noch mit, dass es Kirchensängerinnen nicht erlaubt sei in einen Damenturnverein einzutreten.

Also so langsam bilde ich mir meine eigene Meinung über das: "früher war alles besser"!

Aber, kehren wir zurück in die Gegenwart, zu den letzten Monaten, die wie schon gesagt aus intensivem Üben für Weihnachten bestanden. Trotzdem hatten wir die Auftritte an der Totengedenkfeier, am 1. Adventssonntag und ein kleines Adventskonzert, anlässlich des Abschlusses der Adventswoche, die in Grellingen stattfand. Vor allem Letzteres war eine Freude, und beim anschliessenden Tee und Weihnachtsgebäckschnausen, durften wir viele Komplimente entgegen nehmen.

Nun kam die Zeit, in der noch Zusatzproben stattfanden, zum einen, um die Solostellen die wir auch selber übernahmen, in den Griff zu bekommen, zum anderen, um der Messe den letzten Schliff zu geben. Das war also unser Winterprogramm. Früher kam zu den kirchlichen Auftritten noch etwas anderes dazu, ich zitiere von 1905:

Winteraufführung. Der Sprechende ist der Ansicht, es sei an der Zeit  etwas Gediegenes in Arbeit zu nehmen. Jedoch sei bei der bekannten Müdigkeit der Herren die Frage aufzuwerfen, soll etwas für Töchterchor oder gemischten Chor gewählt werden. Die Diskussion betont, dass ein Programm für Töchterchor den Reiz der Neuheit für sich hätte, und die Frauenzimmer wahrscheinlich eher zu haben wären als die Herren.

Nun war dem Herrn Aktuar eine ebenso schöne wie kühne Idee gekommen. Dürfen wir uns nicht zur Abwechslung einmal an eine Oper wagen? Statt nur die Frauenzimmer allein „Zigeunerlis“ spielen zu lassen, könnte man den ganzen verfügbaren Apparat in Tätigkeit setzen und auch den Turnverein einladen mitzuwirken, damit eine gelungene Aufführung der Oper „Preciosa“ von C.M. von Weber zustande käme. In Gedanken hat der Herr Aktuar die Rollen schon verteilt und sieht die Kasse mit blanken Münzen gefüllt.

Wegweiser zur Schlussaufführung „Preciosa“ im Januar 1906:

  1. Jeder hüte sich vor Erkältung
  2. Jeder erscheine punkt 12:45h zu Schminken
  3. Jeder hüte sich vor Alkohol! Unbedingt wichtig, da für beide Aufführungen bereits Personen angemeldet sind, die in jeder Hinsicht die Leistungen zu beurteilen imstande sind.
  4. Nach der Aufführung: Kleider einfach im oberen Bärensaale hinzulegen, wird absolut nicht geduldet und werden Schuldige zur Rechenschaft gezogen und für eventuellen Schaden haftbar gemacht.
  5. Jeder Teilnehmer ist verpflichtet, zur gemütlichen Vereinigung den richtigen Humor mitzubringen.

Zum Glück mussten wir 2019 kein Theater aufführen, öhm… wenn ich zwar so überlege… aber lassen wir das!

Die vielen Proben hatten sich sehr gelohnt! Und das ist im Besonderen der Verdienst von Stephanie, und auch der Bereitschaft aller Chormitglieder, die viel Energie und Zeit aufwendeten, damit an Weihnachten die Messe von Kozeluch gelang. Nicht vergessen möchte ich Gabriel Gully, der seine Orgelstimme extra umgeschrieben hat, damit er uns mit tollem Können ein ganzes Orchester ersetzen konnte. Ich möchte allen sehr herzlich danken für ihren Einsatz, nicht nur auf Weihnachten hin, sondern durch das ganze Jahr hindurch.

Und um zum Schluss noch meine Eingangsfrage definitiv beantworten zu können, ob früher alles besser war, lese ich euch jetzt noch ein Müsterchen aus dem Jahre 1929:

Die Demission von F. Bloch, total unbegründet, eingereicht, hat natürlich hüben und drüben Staub aufgeworfen. Es ist das Beste, dem Gemunkel mit Stillschweigen entgegen zu treten. Herr Maurer machte noch eine Anregung betr. einem neuen Fahnen, da der alte ganz baufällig sei. Dieser Vorschlag wäre sehr zu begrüssen, aber vorerst muss man sich für die nötigen Finanzen umsehen, da unsere Kasse einem solchen Fiasko nicht gewachsen wäre. Fräulein Sophie Saner stellte noch den Antrag, man könnte sich einmal in korpore fotographieren lassen, wozu alle einverstanden waren. Ferner wurde Fräulein Marie Vögtlin als Archivarin anstelle von Frieda Glanzmann, da dieselbe auf Ostern in den Ehehimmel übergeht und von uns Abschied nimmt.

Nun zum Schlusse setzte eine scharfe Diskussion ein, vonseiten einiger Mitglieder. Fräulein Julia Meury wurde von Herrn Pflugi Walter beschuldigt, auf ganz ungerechterweise, da sie Pflugi Klara befahl, während dem Singen zu schweigen, da sie ganz unrein singe. Das gut gemeinte Mahnwort ist dann von einigen Mitgliedern aufs scharfe Korn genommen und einer nicht gerade feinen Kritik unterworfen worden. Präsident und Aktuar verteidigten nun Fräulein Meury gegen diese Angriffe, indem letzterer besonders betonte, dass es eine Pflicht sei, besonders von einem Vorstandsmitgliede, dass es die jungen Mitglieder zurechtweist. Im grossen und ganzen ist der Hauptfehler bei der Damenwelt zu suchen, da keines vom anderen etwas vertragen kann. Beim kleinsten Vorfall wird gemuscht und alles an die grosse Glocke gehängt. Als man sich allseitig ausgesprochen hatte, beschloss man nun wieder Frieden zu machen und treu zusammen zu halten, nach der Devise, einen für alle und alle für einen.

Jetzt musstet ihr mir lange zuhören! Um ein Vielfaches schneller ging es vor hundert Jahren, denn da steht geschrieben:

Traktandum 1. Protokoll - Das Protokoll wurde nicht verlesen, weil der Herr Aktuar es vergessen hatte.